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„Bandbreite“ – die Vielfalt der Museumssammlung

Ein musikalisches Werbegeschenk aus dem Kaufhaus HERTIE

Schallfolie „Wir sind jung“


1963 │ Inventar-Nr. 004066 SMW

 

Schallfolien, auch „Flexi Discs“ genannt, waren bis in die 1980er Jahre als Werbegeschenke oder Zeitschriftenbeilagen verbreitet.

Eine Schallfolie

Sie hatten normales Single-Format, doch ihre Vinyl-Folie war so dünn und biegsam, dass nur auf einer Seite Rillen eingepresst waren. Auf diesem Exemplar besangen Hannelore Auer und Teddy Parker mit viel „Yeah, Yeah!“ im Refrain die unternehmungslustigen, reisefreudigen und mode-bewussten Jugendlichen. Am Schluss machten sie den Teens und Twens mit einer gesprochenen Werbebotschaft das Kaufhaus HERTIE als preiswerte Einkaufsquelle schmackhaft. Lag die Schallfolie erstmal auf dem Plattenteller, hatte sie sicher eine intensivere Werbewirkung als eine flüchtig überblätterte Zeitungsanzeige.

Die beiden Interpreten gehörten damals nicht zur ersten Garde deutscher Schlagersänger, hatten jedoch schon mehrere Singles veröffentlicht und in mehreren Musikfilmen mitgewirkt. Beide machten noch bis die frühen 2000er Jahre von sich reden: Claus Herwig alias Teddy Parker als Volksmusik-Sänger und Hannelore Auer als Ehefrau, Managerin und Moderationspartnerin von Heino („Heino und Hannelore“).

Die Schallfolie mit dem Titel „Wir sind jung“ gehörte als Werbemittel zur Verkaufsschau „Jugend International“, worauf auch die zahlreichen Landesflaggen auf der Hülle verwiesen. Dabei wurden 1963 in vielen HERTIE-Filialen Schallplatten, Kleidung aber auch Campingartikel auf Sonderflächen für die junge Kundschaft präsentiert. In Wolfsburg erschien sogar noch eine Ansichtskarte, die das Hertie-Kaufhaus mit einem großen „Jugend-International“-Transparent an der Fassade zeigte. Der Kaufhaus-Neubau war hier im November 1960 eröffnet worden und sorgte über viele Jahre für großstädtisches Einkaufsflair in der Volkswagenstadt. Die Schallplattenabteilung im 2. OG war eine wichtige Anlaufstelle für Musikliebhaber.

Das Hertie-Kaufhaus wurde im Sommer 2003 geschlossen und zu großen Teilen abgerissen. Schallplatten sind heute Nischenprodukte und Schall-folien beinahe völlig vergessen. Das im Stadtmuseum erhaltene Exemplar zeigt eindrucksvoll, wie sehr sich die Medien des Musik-Konsums und die Verbreitungsformen von Werbebotschaften verändert haben. 


Vier kleine, feine Gläser zeigen Szenen aus einem typischen italienischen Eiscafé.

1950er Jahre │ Inventar-Nr. 005047 SMW

Die aufgedruckten Zeichnungen sind liebenswert kitschig und stecken doch auch voller Klischees.

Vier Gläser mit Motiven

Man sieht entspannte Gäste – die Frauen blond, die Männer dunkelhaarig – unter farbenfrohen Markisen und Sonnenschirmen. Unverkennbar ist das zierliche Eisdielen-Mobiliar, darauf bunte Eisbecher und die klassische Korbweinflasche für den Chianti. Mit dabei sind der ebenso geschickte wie elegante Kellner und ein verliebt sich zuprostendes Paar: „Cin cin!“

Keine Frage – in diesen Gläsern wurde schnödes Wasser zu aqua minerale und einfache Brause zu fruchtiger limonade. So sollte vielleicht die Erinnerung an einen frühen Italien-Urlaub aufgefrischt oder zumindest doch etwas Eiscafé-Atmosphäre nach Hause geholt werden, am besten auf den Balkon oder die Terrasse.

Der Illustrator wie auch der Hersteller der Gläser sind unbekannt. Doch die Motive verweisen auf den Boom italienischer Eisdielen in den 1950er Jahren. Das bundesdeutsche Wirtschaftswunder hatte erste Urlaubsreisen in den Süden möglich gemacht: Nach Österreich war Italien das beliebteste Reiseziel. Zurück im Norden ließ sich mit kleinen Auszeiten im Eiscafé die Italiensehnsucht stillen: Man genoss gelato oder cappuccino – und den Akzent der Bedienungen.

Außerdem wurden die modern eingerichteten Eisdielen, wie auch die Milchbars, zu Schauplätzen einer sich entwickelnden Jugendkultur. Anders als Kneipen waren Eisdielen für Jugendliche zugänglich – und waren dabei doch nicht so bieder wie traditionelle Konditorei-Cafés. In Wolfsburg etablierte Silvio Olivier mit seiner Familie 1953 in der Kaufhofpassage das erste Eiscafé – neun Jahre, bevor die ersten in Italien angeworbenen „Gastarbeiter“ zur Arbeit im Volkswagenwerk in die Stadt kamen.

Hochwertiges, handwerklich hergestelltes Speiseeis ist heute beliebt wie eh und je. Doch vom Zauber der Eiscafés, wie ihn die Zeichnungen auf den Gläsern vermitteln, ist Manches verloren gegangen: Eiscafés sind nur mehr eine von unzähligen Facetten eines globalisierten Gastronomie-Angebots.

 


Regenschirm der 29. Internationalen Sommerbühne: Überdachte Bühne, Logo und praktischem Schutz für wechselhaftes Sommerwetter

 

1990er Jahre │ Inventar-Nr. 008368 SMW


Die Internationale Sommerbühne wird in diesem Jahr zum 29. Mal veranstaltet. Zwar sind Bühne und Zuschauerraum im Innenhof von Schloss Wolfsburg während des Festivals überdacht, doch ein Regenschirm hat in hiesigen Sommern schon gute Dienste geleistet. Beim dezenten Werbe-Aufdruck dieses Exemplars fällt die strahlende Sonne ins Auge, die das „O“ des Schriftzugs „Sommerbühne“ bildet. Genaue Betrachtung verdient aber das eigentliche Logo der Veranstaltung.


Kleine Schirme vor dem Schloss Wolfsburg
Copyright: Meike Felizitas Netzbandt

Sein Schöpfer war der aus Polen stammende Grafiker Gabriel Ryl. Er gestaltete das Logo 1990/91 für die zweite Auflage des Festivals, bei dem es zum ersten Mal den Namen Internationale Sommerbühne trug. Die Premiere hatte – angeregt durch Wolfsburgs damaligen Kultur-dezernenten Dr. Wolfgang Guthardt – im Jahr 1990 stattgefunden. Damals lautete der Titel „Grenzgänge – Internationales Festival für Musik, Theater, Stimme und mehr“. Im Jahr nach dem Mauerfall war die Über-windung von Grenzen beherrschendes Thema und passendes Motto.

Gabriel Ryl hatte ein Grafik-Design-Studium an der Braunschweiger Hochschule für Bildende Künste absolviert und arbeitete noch nicht lange für die Wolfsburger Werbeagentur Cebra, als sich sein Entwurf beim Kulturamt durchsetzte. Sein Sommerbühnen-Logo zeigt alle Elemente, die für den Schauplatz und die Angebote des Festivals wichtig sind: Dachhaube und Giebel stammen unverkennbar vom Schloss, eine Maske steht für Theater und Kleinkunst und eine Gitarre symbolisiert das Musikprogramm. Und lässt sich im Gitarrenkorpus vielleicht auch ein Ohr entdecken?

Mit handwerklicher Kunstfertigkeit gelang es Ryl, dem als Zeichnung und noch nicht am Computer ausgeführten Motiv die raue Anmutung eines Holzschnitts zu verleihen. Weggefährtinnen aus den Anfangsjahren der Sommerbühne erinnern sich daran, dass er sehr stolz darauf war, mit seinem Entwurf diesen neuen Veranstaltungs-Höhepunkt im Wolfsburger Kulturleben unterstützen zu können. Auch als die Sommerbühnen-Werbung ab 1993 einer größeren Agentur übertragen wurde, behielt man Ryls Logo für viele Jahre bei. Und noch heute wird es vom Freundeskreis der Internationalen Sommerbühne verwendet. Mit finanzieller Unterstützung und unübertroffenem Catering tragen die Ehrenamtlichen seit dem Jahr 2000 zum Erfolg des stimmungsvollen Sommerfestivals im Schloss Wolfsburg bei.


Der TI-57 II: Vom Schulgebrauch am Albert-Schweitzer-Gymnasium zur Museumssammlung – Ein Blick auf die Evolution des Taschenrechners

 

1980er Jahre │ Inventar-Nr. 004466 SMW

 

Taschenrechner waren die ersten Geräte, die breite Bevölkerungskreise mit der Mikroelektronik in Berührung brachten.

Ein Taschenrechner

Das Modell TI-57 II der Firma Texas Instruments wurde in den frühen 1980er Jahren von Christian Sochacki als Schüler am Wolfsburger Albert-Schweitzer-Gymnasium benutzt. Vor über zehn Jahren gab Herr Sochacki das Gerät in die Museumssammlung. 

Der Heiligendorfer erinnert sich, dass der Funktionsumfang dieses programmierbaren wissenschaftlich-technischen Rechners für seinen Mathematik-Grundkurs eigentlich viel zu groß war. Doch der zuvor verwendete Schul-Taschenrechner TI-30 habe eine Fehlfunktion der Tastatur gehabt: Oft habe diese „Macke“ zu unbeabsichtigten wiederholten Eingaben geführt, also z.B. „222“ statt „2“. Texas Instruments habe die Rechner dann zurückgenommen und den Preis beim Kauf eines neuen TI-Rechners angerechnet. 

Taschenrechner erlebten seit den frühen 1970er Jahren einen Preisverfall. Schrittweise wurde seit dieser Zeit auch ihr Gebrauch im Schulunterricht erlaubt. Der genannte TI-30 war das am weitesten verbreitete der empfohlenen Modelle. Er hatte noch ein eher klobiges Design, wurde von einer 9-Volt-Batterie versorgt und verfügte über eine Anzeige aus roten 
Mini-LEDs mit Lupenelementen. Dagegen kam das Museumsstück TI-57 II mit seinem flachen Gehäuse, der Stromversorgung durch zwei Knopfzellen und einem energiesparenden Flüssigkristall-Display viel moderner daher. Interessierte Schülerinnen und Schüler haben sich am Albert-Schweitzer-Gymnasium in einer Computer-AG auch mit den Programmierfunktionen beschäftigt.

Erfinder des Taschenrechners war der bei Texas Instruments beschäftigte Physiker Jack Kilby: Sein 1967 vorgestellter Taschenrechner-Prototyp hatte noch die Größe eines Lexikon-Bandes. Doch er versprach eine im Alltag nutzbare Anwendung für den von Kilby zuvor entwickelten Integrierten Schaltkreis. Diese Verbindung von Transistoren, Widerständen und Kondensatoren war die Vorstufe des Mikrochips, also jener Funktionseinheit, ohne die PCs, Smartphones, das Internet und viele von uns selbstverständlich genutzte Dinge wie Autos, Flugzeuge oder Fernsehgeräte in ihrer heutigen Form nicht existieren würden.


Modell-Eisenbahnen der 1930er: Highlight der Sonderschau „Mechanische Tierwelt“ im Stadtmuseum

um 1930 │ Inventar-Nr. 007901 SMW

Die große Welt im Kleinen abzubilden, das gelingt mit zahlreichen Spielzeugen aus der Sammlung des Stadtmuseums. So auch mit diesen Modellen für eine elektrische Eisenbahn aus den Jahren um 1930. Wie viele der Tierfiguren in der noch bis Mitte Oktober 2019 laufenden Sonderschau „Mechanische Tierwelt“ gehören Lok, Waggons und Schienen in die große Zeit des Blechspielzeugs.

Das einfach ausgeführte Dampflok-Modell, das keine reale Lokomotive zum Vorbild hatte, gehörte zu einem „Einsteiger-Set“ der Firma Bing. Mit Lok, Kohlentender, zwei Waggons, einem Gleisoval und einem Transformator konnte das Modellbahn-Spiel beginnen. Der Trafo diente der Regulierung von Geschwindigkeit und Fahrtrichtung und vor allem dazu, die Spannung des Stromnetzes auf die 18 Volt der Modellbahn umzuwandeln. Die Stromzufuhr zur Lok erfolgte durch Schleifkontakt über die mittlere „Stromschiene“ der Dreischienengleise. 

Der kleine Blech-Zug rollt auf Spurweite 0 (32 mm), was etwa einem Maßstab von 1:45 entspricht. Damit ist er etwa doppelt so groß wie die Modellbahn-Größe H0, die heute am weitesten verbreitet ist („Halb-Null“, Spurweite 16 mm, Maßstab 1:87). 

Hersteller von Lok und Waggons war die Bing-Werke AG aus Nürnberg. Zunächst hatten die Brüder Adolf und Ignaz Bing ein reines Handelshaus gegründet, seit 1879 produzierte die Firma dann selbst Blechspielzeug. Sie entwickelte den „Nürnberger Stil“: industrielle Massenproduktion durch Bedruckung der Blechteile und Zusammenfügen mittels kleiner Laschen. Die Produktpalette reichte vom Dampfmaschinen-Modell bis zum Puppengeschirr, von elektrischen Eisenbahnen verschiedener Spurweiten bis zum Schmalfilm-Projektor. Anfang des 20. Jahrhunderts galt Bing mit über 4.000 Beschäftigten als größte Spielwarenfabrik der Welt. Die Weltwirtschaftskrise führte 1932 zum Ende der Spielzeugproduktion.

Die Blech-Bahnen der 1920er und 1930er Jahre waren noch nicht in der heute möglichen vorbildgetreuen Perfektion gefertigt. Gerade das aber verleiht ihnen einen ganz speziellen Charme. Da macht es auch fast gar nichts, dass unsere Museumsstücke nicht mehr ganz komplett daher-kommen, weil sie beim Spiel etwas gelitten haben: An der Lok fehlen die Glühlampe an der Front und die Original-Kupplung, und der Tender hat sogar eine Achse verloren… 


Eine Auswahl von Broschüren, Merkblättern und Landkarten erinnert an die Umstände des Reisens aus der Bundesrepublik in die DDR und an die Öffnung der innerdeutschen Grenze am 9. November 1989.

 

1965-1990 │ diverse Inventarnummern

 

 

Objekte des Monats Oktober 2019 (Foto: Stadtmuseum / Meike Netzbandt)

Am 24. Oktober 1989 wurde Wolfsburgs deutsch-deutsche Städtepartnerschaft mit Halberstadt durch die Zustimmung der dortigen Stadtverordnetenversammlung endgültig besiegelt. Damals gehörten die Städte zu zwei Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftssystemen. Sie waren getrennt durch eine scharf gesicherte Grenze, mit der sich die DDR abschottete und die in Ost-West-Richtung fast undurchlässig war. Reisen aus der Bundesrepublik in die DDR waren möglich, erforderten aber bürokratischen Aufwand.

Mit zahlreichen Publikationen informierte etwa die niedersächsische Landesregierung über die historischen Hintergründe der Grenze, die Grenzsicherungsanlagen der DDR, Grenzübergangsstellen und Aussichtspunkte. Das Erscheinungsbild dieser Broschüren wandelte sich, doch schon die Titelbilder machten klar, dass es sich an der „Nahtstelle der Systeme“ um keine normale Staatsgrenze handelte. So zeigt der Umschlag des Heftes „Zonengrenze Niedersachsen“ – es war 1965, vier Jahre nach dem Bau der Mauer, erschienen – eine expressive Stacheldraht-Grafik. Die Broschüre „Deutschland diesseits und jenseits der Grenze“ von 1984 hat ein farbiges Titelfoto mit Grenzpfählen, Zäunen und einem Wachturm, das aus augenscheinlich „sicherer Entfernung“ durch ein Teleobjektiv aufgenommen wurde. 

Ab 1973 gestattete die DDR Einwohnern grenznaher Städte und Kreise der Bundesrepublik Tagesreisen in ihre grenznahen Gebiete. Auch Wolfsburg und Halberstadt lagen in den Regionen, in denen der „kleine Grenzverkehr“ – freilich nur von West nach Ost – möglich wurde. Mit der mehrfach aufgelegten Broschüre „Reisen in die DDR“ informierte das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen über die nötigen Reisedokumente, Zollvorschriften und den Tages-Mindestumtausch von DM 25,00 in 25,00 Mark der DDR, gab Verhaltenstipps und Muster zum Ausfüllen der Einreiseformulare. Außerdem wollte das Ministerium mit einer attraktiv gestalteten Prospekt-Reihe Bundesbürger zu Ausflugstouren im grenznahem Bereich der DDR anregen: Mehrere Faltblätter bezogen sich auf den Ostharz, und natürlich wurde auch Halberstadt mit seinen Sehenswürdigkeiten darin ausführlich vorgestellt.

Die Grenzöffnung am 9. November 1989 nach der friedlichen Revolution in der DDR führte dann sofort zu einem enormen Reiseverkehr in Ost-West-Richtung. Als Service der Landesregierung vornehmlich für Bürgerinnen und Bürger der DDR erschienen nun Straßenkarten der damals noch bestehenden Regierungsbezirke Lüneburg und Braunschweig mit dem Aufdruck „Gute Fahrt in Niedersachsen“. Sie erlebten bis Anfang 1990 in schneller Folge mehrere aktualisierte Auflagen, weil immer neue Grenzübergänge verzeichnet werden konnten. Heute erinnern an wichtigen Straßen über die Landesgrenze braune „Unterrichtungstafeln“ an die Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas.


idell-Serie von Kaiser: Die VW-Käfer unter den Arbeitsleuchten

Tischleuchte Kaiser idell 6556
vor 1945 │ Inventar-Nr. 003479 SMW

genutzt im Büro- und Werkstattraum des früheren Wolfsburger Heimatmuseums in der Goetheschule

Scherenwandleuchte Kaiser idell 6614
um 1950 │ Inventar-Nr. 006188 SMW

genutzt in der ehemaligen Zuckerfabrik Fallersleben

Zwei alte Schreibtischlampen

Von Esther Orant, Forum Architektur der Stadt Wolfsburg

Die Leuchten der idell-Serie der Fa. Kaiser, entworfen von Christian Dell, sind so etwas wie die VW-Käfer unter den Arbeitsleuchten: jahrzehntelang produzierte, weit verbreitete und bekannte Standardmodelle von hohem Gebrauchswert.

Der Anspruch einer funktionalen, serientauglichen Gestaltung für Gebrauchsgegenstände wurde in den 1920er Jahren nicht nur durch das 1919 in Weimar gegründete Bauhaus vertreten. Auch an der Frankfurter Kunstschule entstanden im Rahmen der Bautätigkeit für das sogenannte „Neue Frankfurt“ Entwürfe für günstige, zweckdienliche Serienprodukte. Christian Dell – in zeitgenössischen Reklameschriften als „Beleuchtungs-Architekt“ tituliert – lehrte an beiden Schulen in den Metallwerkstätten, bevor er seine berühmten idell-Leuchten für die Firma Kaiser entwarf. 

Geboren wurde Christian Dell 1893 als Sohn eines Schlossermeisters in Offenbach. Von 1907 bis 1911 absolvierte er eine Silberschmiedelehre in Hanau, daneben besuchte er die dortige staatliche Zeichenakademie. Vor seiner Militärzeit im ersten Weltkrieg war er 1912/13 kurze Zeit Geselle an Henry van de Veldes Großherzoglich Sächsischen Kunstgewerbeschule in Weimar. 1922 holte Walter Gropius den Silberschmied als Werkmeister an die Metallwerkstatt des 1919 gegründeten Bauhaus in Weimar. Als Werkmeister lag seine Aufgabe vor allem in der technisch-handwerklichen Anleitung der Schüler. Formmeister waren zunächst Paul Klee, Oskar Schlemmer, Johannes Itten und schließlich Lazlo Moholy-Nagy. Unter letzterem erfolgte eine verstärkte Hinwendung der Werkstatt zur industriellen Gestaltung. 

Als das Bauhaus 1925 nach Dessau umzog, blieb Dell zunächst in Weimar und arbeitete an der dortigen Nachfolgeinstitution, der „Hochschule für Handwerk und Baukunst“. 1926 übernahm Dell die Leitung der Metallwerkstatt der Frankfurter Kunstschule. In dieser Zeit entstanden die ersten erfolgreich produzierten Leuchtenentwürfe von Christian Dell. 1933 erfolgte seine Entlassung durch die Nationalsozialisten.     

Ab 1933/34 war Dell für den Leuchtenhersteller Gebrüder Kaiser & Co. in Neheim-Hüsten als Entwerfer tätig. Für das Unternehmen entwickelte er die bekannten Kaiser-idell-Leuchten. Die Bezeichnung „idell“ setzt sich aus den Worten „Idee“ und „Dell“ zusammen. Bereits bei den Bezeichnungen seiner früheren Entwürfe hatte Christian Dell seinen Nachnamen in die Produktbezeichnung integriert („Rondella“). Produziert wurden die Modelle der idell-Serie bis in die 1980er Jahre hinein. Bei seiner Entwurfstätigkeit für die Firma Kaiser setzte Dell konsequent die durch das Bauhaus und das „Neue Frankfurt“ formulierten Forderungen um: auf Funktionalität reduzierte Formgebung und günstige industrielle Produktion durch ein vielfach kombinierbares Baukastensystem.   

Das sicherlich bekannteste Modell der Reihe ist die Schreibtischlampe „6556“, die 1934 entwickelt, 1935 erstmals im Verkaufskatalog aufgeführt und bis in die 1950er Jahre produziert wurde. Charakteristisch für die idell-Leuchten ist das Kugelgelenk zwischen Lampenarm und Reflektorschirm, das eine flexible Ausrichtung des Lichtkegels ermöglicht. Auch die besondere Form des Reflektorschirms trägt zur großen funktionalen Qualität der idell-Leuchten bei: Durch die dezentrale Anordnung des sog. Doms, der die Fassung für das Leuchtmittel aufnimmt, liegt der hellste Punkt des Lichtkegels nicht zentral unter dem Schirm, sondern nach vorne versetzt und störende Schatten, zum Beispiel durch die schreibende Hand, werden vermieden. Der ebenfalls asymmetrisch verlaufende untere Rand des Schirms sorgt dafür, dass die Glühbirne gegen das Auge abgeschirmt wird und verhindert so unerwünschte Blendeffekte.   

Nach dem Krieg arbeitete Dell als selbständiger Juwelier und Silberschmied in Wiesbaden, wo er 1974 verstarb. 


Weihnachtliche Schaukelpferde: Handgefertigte Freude aus Nordsteimke

1920er Jahre │ Inventarnummer 004446 SMW

und Spielzeug-Traktor
1940er Jahre │ Inventarnummer 004452 SMW

Schaukelpferd aus Nordsteimke (Foto: Stadtmuseum / Meike Netzbandt)

Schaukelpferde sind beliebte Schmuck- und Deko-Motive zur Weihnachtszeit. Sie symbolisieren Kinderspiel und Freude über die Bescherung. Dieses Exemplar wurde in einer Werkstatt in Nordsteimke gebaut und im Laufe seines bewegten Spielzeug-Lebens gleich zwei Mal zu Weihnachten verschenkt.

Ende der 1920er Jahre fertigte der Landwirt und Stellmacher Hermann Mahlmann das heutige Museumsstück als Weihnachtsgeschenk für seinen Sohn Gerhard. Dessen jüngerer Bruder Siegfried Mahlmann – heute bekannt durch sein Engagement für die Tanz- und Trachtengruppe „De Steinbekers“ und das plattdeutsche Theater – erinnert sich an wilde Ritte und besorgte Eltern. Sein Bruder sei tatsächlich einmal kopfüber gestürzt, woraufhin sein Vater eine Bremse an die Kufen gebaut habe. Nur an Fest- und Feiertagen sei das Schaukelpferd vom Dachboden geholt worden. Er selbst, so Siegfried Mahlmann, habe eher selten auf dem Pferd geschaukelt. Denn in den 1930er Jahren seien auf den Dörfern die ersten Trecker angeschafft worden – und die waren für ihn nun deutlich interessanter als Pferde, und ein Treckermodell wurde deutlich reizvoller als Pferdespielzeug. 

Doch das Schaukelpferd hatte noch einmal einen großen Auftritt: Als es nach dem Zweiten Weltkrieg zur Einquartierung von Flüchtlingen bei den Mahlmanns kam, wurde es einer Familie wiederum als Weihnachtsgeschenk für deren Sohn überlassen. Die beiden Väter richteten das schon etwas strapazierte Pferd neu her, reparierten eine Kufe und sorgten für einen neuen Anstrich: Aus dem ursprünglichen Braunen wurde der heutige Apfelschimmel.

Stellmacher Hermann Mahlmann, in dessen Werkstatt für Räder, Wagen und landwirtschaftliche Geräte das Schaukelpferd einst entstanden war, hatte da längst auf die Wünsche der Jungen vom Dorf reagiert und ein einfaches aber attraktives Treckermodell erdacht. Gleich sechs oder sieben Stück, so erinnert sich Siegfried Mahlmann, habe er einmal aufgereiht auf einem Arbeitstisch seines Vaters gesehen, alle bestellt als Geschenke für Bauernsöhne. So spiegelt sich die Technisierung der Landwirtschaft auch im Spielzeug aus einer Holzwerkstatt in Nordsteimke wider.

Einst stolzer Holztrecker-Besitzer: Siegfried Mahlmann (Foto: Stadtmuseum / Arne Steinert)
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