Das Kriegerdenkmal in Almke
Von Maik Ullmann & Alexander Kraus
Während das Eichenlaub in der germanischen Mythologie für den unerschütterlichen Mut steht, den die Gefallenen auf dem Schlachtfeld bewiesen, unterstreicht das Kanonenrohr den nicht überwundenen Konflikt mit Frankreich.
Galt der Adler zur Zeit der Reichsgründung im Januar 1871 noch als Symbol für das geeinte deutsche Volk, changierte dessen Symbolhaftigkeit nach 1918 in reaktionären Kreisen hin zu einem Sinnbild des deutschen Revanchismus:[1] Als Ausdruck der Sehnsucht nach dem vergangenen Kaiserreich war es zugleich Zeichen für die Wirkmächtigkeit konservativer Strukturen in der noch jungen Weimarer Republik. Nicht zufällig blickt er mit stolz erhobenem Haupt gen Westen in Richtung des damaligen „Erbfeindes“ Frankreich; zugleich hat er die Klauen ausgefahren und seine machtvollen Schwingen schützend über Eichenlaub, einer blanken Fahne und dem Denkmal ausgebreitet. Es wirkt, als behüte der Adler madonnengleich die Gefallenen des Orts.[2] Über den Stahlhelm findet darüber hinaus eine Heroisierung des Todes der Almker Soldaten statt, steht dieser in Verbindung mit einem Lorbeerkranz – ähnlich dem Eichenlaub – doch symbolisch für den Mut der Gefallenen, die ihr Leben für das „deutsche Vaterland“ gegeben haben.
Leider sind keine Akten zur Denkmalsgründung überliefert. Auch die lokalen Zeitungen lassen über das für das Dorf so markante Ereignis nichts verlautbaren. Umso wertvoller sind daher zwei Fotografien von der Einweihung des Kriegerdenkmals, die Ratsherr Joachim Sievers dem Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation im Jahr 2017 zur Verfügung gestellt hat. Sie vermitteln ein eindrückliches Bild von der anhaltenden Wirkmächtigkeit des Militarismus in der jungen Weimarer Republik.
Die erste Aufnahme ist anscheinend durch den Landwehr-Verein Almke selbst initiiert. Sie ist ganz offensichtlich durch den Fotografen arrangiert und zeigt jeweils vier militärisch uniformierte Männer zur rechten und linken Seite des Denkmals, die geschlossen in Richtung der Kamera blicken. Die Hacken ihrer Marschstiefel zusammengeschlagen, den Kolben des Repetiergewehrs auf dem Boden abgestellt und den Lauf in der rechten Hand haltend, bildet jeweils ein im schlichten feldgrauen Waffenrock gekleideter Soldat den Anfang der vom Denkmal ausgehenden Reihen. Anhand der charakteristischen Kopfbedeckung, eine sogenannte Tschapka, verziert mit einem goldenen Peninsula-Emblem in Form des zweiköpfigen Reichsadlers, lassen sich unter den übrigen sechs Soldaten drei ehemalige Königs-Ulanen ausmachen. Ebenso lässt das Portepee am Griff des Degens des Soldaten am Ende der linken Reihe darauf schließen, dass er in einem Kavallerieregiment diente. Bildmittelpunkt ist das mit Kränzen und Girlanden geschmückte Ehrenmal.
Dem Protokollbuch des Landwehr-Vereins Almke zufolge formierte sich dieser „[in der] vorangegangenen Versammlung am 18. [Mai 1922]“.[3] Die 24 Männer, darunter ehemalige Soldaten der deutschen Kaiserarmee, verschrieben sich dem Erhalt der „alte[n] Kameradschaft“ und der „Unterstützung der Hinterbliebenen gefallener Kriegskameraden“. Kaum zwei Monate später erkannte die Vereinigung die Normalstatuten des rechts-konservativen Kyffhäuserbunds an,[4] zu dessen Zielen unter anderem die Fortführung militaristischer Traditionen und der Kampf gegen das „Diktat von Versailles“ zählten. Damit wurde der Landwehr-Verein Almke offiziell Teil des Deutschen Reichskriegerbunds „Kyffhäuser“. Er ist ein Beleg mehr für die Kontinuität des Militarismus und das Andauern „autoritärer und antidemokratischer Strukturen“ in der Weimarer Republik [5] – und dies gerade in ländlichen Regionen.[6]
Eine zweite historische Fotografie zeigt den Tag der Fahnenweihe des Kriegervereins und korrespondiert mit der ersten. Am 14. Mai 1923 entstanden – unmittelbar vor dem ersten Jahrestag der Vereinsgründung –, zeigt die Aufnahme 36 Männer und 15 weiß gekleidete Frauen, gestaffelt in vier übereinander liegenden Reihen seitlich vor dem Denkmal. Um ihre Verbundenheit mit dem Preußentum zu unterstreichen, tragen sie ausnahmslos schwarz-weiß-schwarze Schärpen. Die 36 Männer, überwiegend eine Feldmütze samt Kokarde tragend und zum Teil mit Orden dekoriert, blicken wohlgestimmt und erhobenen Hauptes in Richtung der Kamera. Zentral in der untersten Reihe, eine Bauchbinde um die Hüften geknotet: Hermann Niebuhr, zweiter Vorsitzender des Landwehrvereins und ehemaliger Königs-Ulane während des Ersten Weltkrieges. Über den Rängen mittig zu erkennen: die geweihte Fahne. Auf ebendieser ist ein schwarzgefärbter, von Eichenblättern umrahmter Adler zu erahnen. Links von ihr weht im Hintergrund, um die rechts-konservative Attitüde zu betonen, die Fahne des untergegangenen Deutschen Kaiserreichs. Vor der ersten Reihe sind einmal zur Linken, einmal zur Rechten jeweils vier Karabiner aneinander gelehnt, just solche Gewehre, die während des Krieges überwiegend von der deutschen Infanterie verwendet wurden. Damit dokumentiert auch diese Aufnahme die gesellschaftliche Bedeutung des Militarismus, der sich im Zuge der Einigungskriege der 1860er und frühen 1870er Jahre verfestigt und etabliert hatte. Hierarchische Strukturen aus dem Militär wie die ehernen Grundsätze von Befehl und Gehorsam reichten bis in alle Ebenen der Gesellschaft – selbst bis hin zur Erziehung.[7] Daher ist davon auszugehen, dass die auf dem Almker Ehrenmal genutzten Symbole wie etwa der Adler oder der Stahlhelm für die Betrachter leicht zu decodieren waren.[8] Die Sonderstellung des Militärs und die Heroisierung des Soldatentums [9] dauerte in Deutschland innerhalb der rechts-konservativen Kreise bis weit über das Ende des Ersten Weltkrieges hinaus an. – Das Almker Ehrenmal wurde nach dem Zweiten Weltkrieg – wann genau, konnte bislang nicht bestimmt werden – um zwei schlichte Seitenflügel erweitert, auf denen die Almker Gefallenen dieses Krieges festgehalten sind. Auf ebendiesen finden sich auch die Namen von wenigstens vier Soldaten wieder, die noch in den frühen 1920er Jahren vor dem Denkmal zu Ehren ihrer gefallenen Kameraden posierten.
Im Februar 1947 hörte der Staat Preußen „als Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland“ nach Beschluss des Kontrollratsgesetzes Nr. 46 zu existieren auf. Von den alliierten Siegermächten als Ursprung der jahrzehntelang und in drei Staatsformen verbreiteten Kriegspropaganda ausgemacht, sollte die Auflösung des Staats einen Bruch innerhalb der deutschen Erinnerungskultur herbeiführen und somit ein Fortwirken der reaktionären Strukturen, wie nach 1918 geschehen, verhindern. Damals bildeten sich nur wenige Wochen nach den Revolutionsereignissen des 9. Novembers die ersten Kriegervereine. Einer möglichen Wiederholung wirkten die Alliierten nun entsprechend früh entgegen: In den mittleren 1930er Jahren innerhalb der SA-Reserveregimenter aufgegangen, galten die verschiedenen Kriegervereine als Teil des zerschlagenen NSDAP-Apparats und wurden daher ab Oktober 1945 von einer Neugründung gesetzlich ausgeschlossen. Spukten nach dem Ersten Weltkrieg mit der „Dolchstoßlegende“ und dem verbreiteten Mythos des „im Felde unbesiegten Heeres“ noch verirrte, die deutsche Wut befeuernde Geister durch die Weimarer Republik, so war die Nachkriegsrealität 1945 eine andere: Die Wehrmacht war schlichtweg besiegt. Daher etablierte sich eine scheinbar unschuldige, vom Militarismus distanzierte Erinnerungskultur. Reserviertheit und Stillschweigen beerbten den deutschen Nachkriegs-Revanchismus.
Quellen:
[1] Meinhold Lurz, Kriegerdenkmäler in Deutschland. Band 4. Weimarer Republik. Heidelberg 1985, S. 241.
[2] Ebd., S. 242.
[3] Almker Protokollbuch aus dem Besitz von Joachim Sievers, Gründung des Vereins im Mai 1922.
[4] Ebd., 2. Ordentliche Generalsversammlung vom 16. Juli 1922.
[5] Geoff Eley, Wilhelminismus, Nationalismus, Faschismus. Zur historischen Kontinuität in Deutschland. Münster 1991, S. 209.
[6] Sabine Behrenbeck, „Zwischen Trauer und Heroisierung. Vom Umgang mit Kriegstod und Niederlage nach 1918“, in: Jörg Duppler/Gerhard P. Groß (Hg.), Kriegsende 1918. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung. München 1999, S. 315–339, hier S. 323f.
[7] Emilio Willems, Der preußisch-deutsche Militarismus. Ein Kulturkomplex im sozialen Wandel. Köln 1984, S. 92.
[8] Dazu Jens Jäger, „Überlegungen zu einer historiografischen Bildanalyse“, in: Historische Zeitschrift, Bd. 304 (2017), S. 655–682, hier S. 674: Die „konventionelle Bedeutung [...] ergibt sich aus der Darstellung eines alltäglichen und wohlbekannten Aktes, d[as] Verlassen eines Schiffes, dem Erkennen der Protagonisten, der unauflöslichen verknüpften Textbeigabe, dem Erscheinungsort und dem damaligen tagesaktuellen Wissen.“
[9] Manfred Messerschmidt, Militarismus, Vernichtungskrieg, Geschichtspolitik. Zur deutschen Militär- und Rechtsgeschichte. Paderborn/München/Wien/Zürich 2006, S. 4.
Veröffentlicht am 07.11.2018