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Kriegerdenkmal Alt-Wolfsburg

Von Maik Ullmann

Umgeben von Parkhäusern, direkt an der mehrspurigen B 188 und damit unmittelbar an einem der städtischen Hauptverkehrswege gelegen, findet sich auf dem Gelände des Volkswagenwerks das Alt-Wolfsburger Kriegerdenkmal. Am Ende eines Pfades, der von der Bushaltestelle „Schloss“ abgeht, umgeben vom steten Schichtwechsel und regem Automobilverkehr, wirkt das Ehrenmal wie ein vergessenes Relikt aus der Zeit der Weimarer Republik. Doch dies war nicht immer so: Mehr als 15 Jahre vor der Gründung der „Stadt des Kdf-Wagens bei Fallersleben“ lag das Denkmal, eingebettet inmitten des damals angelegten Eichenhains, zentral zwischen den Orten Heßlingen, Rothenfelde/Rothehof und dem Schloss Wolfsburg. Damals waren die Siedlungen und das Gehöft noch durch eine breite Chaussee miteinander verbunden, von der der auf einer Wiese gelegene Denkmalsplatz über eine Abzweigung erreicht werden konnte. Inmitten der Natur gelegen, war das Denkmal nicht nur ein stiller Ort des Gedenkens, sondern im Alltag der Bevölkerung gegenwärtig.

Kartenausschnitt Fallerslebens mit Denkmalstandort aus dem Jahr 1941

„Ich hatt’ einen Kameraden“ – angestimmt vom Männergesangsverein Heßlingen bildete das 1809 von Ludwig Uhland gedichtete Soldatenlied „Der gute Kamerad“ den musikalischen Auftakt zur Einweihungsfeier des in Alt-Wolfsburg zu Ehren der im Ersten Weltkrieg Gefallenen errichteten Denkmals. Mit den Worten der letzten Strophe wurde das Ehrenmal vor den Augen zahlreicher Teilnehmer mit einer von strahlendem Sonnenschein untermalten Inszenierung enthüllt. Ihren Abschluss fand die Zeremonie mit einer Kranzniederlegung durch den Grafen Werner von der Schulenburg (1857–1924) und durch die Gräfin Frieda geb. Freiin vor dem Bussche-Ippenburg (1871–1949).

Wie für agrarisch geprägte Regionen nicht unüblich, wurden die ans Schloss Wolfsburg grenzenden Orte und Flecken von den durch das Ende des Kaiserreiches ausgelösten gesellschaftlichen Transformationsprozessen kaum berührt. Der Tugend- und Wertekanon behielt in der lokalen Bevölkerung weitestgehend Gültigkeit.[1] So wundert es nicht, dass die Feier am frühen Nachmittag des 14. Mai 1922 ganz im nationalistisch-konservativen Tenor abgehalten wurde. Weder das von politisch links einzuordnenden Kreisen meist als sinnlos empfundene Sterben der deutschen Frontsoldaten, noch das Leid der Hinterbliebenen fand hier seinen Platz. Stattdessen wurde die bedingungslose Vaterlandstreue der Gefallenen beschworen und die Aufgabe der nächstfolgenden Generationen betont, Deutschland vor seinem Untergang zu bewahren. Von besonderem Pathos war die Aussage des Vorsitzenden des Kreis-Kriegerverbands Professor Bröckler getragen, der zugleich als Architekt des Denkmals wirkte: „Und wenn wir es auch nicht mehr erleben, daß die uns aufgezwungenen Ketten springen, so sind wir es doch unsern Toten schuldig [...].“[2] Mit dieser Metapher spielte Bröckler letztlich auf nichts anderes als den als Knebelvertrag empfundenen Friedensvertrag von Versailles an, auf den eine Periode der Inflation und des wirtschaftlichen Niedergangs folgte. Je knapper Lebensmittel und Arbeit wurden, desto rasanter stieg der Unmut innerhalb der Bevölkerung an. Jene Bitterkeit wussten sich rechts-konservative und reaktionäre Kräfte zu Nutze zu machen. Die oft beklagte „Schmach von Versailles“ wurde zum Symbol der Unterdrückung der deutschen Bevölkerung.

Im Verlauf der Feierlichkeiten der Denkmalseinweihung in Alt-Wolfsburg appellierte auch der gräfliche Verwaltungsdirektor Steinhof, selbst Mitglied des Denkmalsausschusses, an die Vaterlandsverbundenheit aller Anwesenden und rekurrierte dabei auf Friedrich von Schillers Drama Wilhelm Tell: „Ans Vaterland, ans teure schließ dich an, d[as] halte fest mit deinem ganzen Herzen. Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft.“[3]

An der Südseite des Schlosses und inmitten eines zur Zeit der Denkmalsaufstellung gepflanzten Eichenhains aus Elmkalkstein errichtet,[4] ist das Kriegerdenkmal ein Beispiel für die in der Region um Schloss Wolfsburg oftmals gewählte kostengünstige klassizistische Bauweise. An der rechten und linken Seite jeweils durch einen von Eichenblätterstreifen verzierten Pfeiler gerahmt, bildet eine etwa eineinhalb Meter hohe Mauer den Unterbau für einen von Säulen getragenen Bogen. In die Mauern sind drei Ehrentafeln eingelassen, in die die Namen der im Krieg gefallenen Soldaten aus Heßlingen, Rothehof-Rothenfelde und dem Gehöft der Wolfsburg gemeißelt sind. Auf beiden Säulen ist ein auf der Spitze stehendes Schwert zu sehen; zwischen den beiden Schwertern erstreckt sich ein Efeustrauch über den Bogen. Durch die Bogenkonstruktion geschützt, ragt mittig eine mit einem Eisernen Kreuz verzierte vierte Ehrentafel hervor, auf der die zentrale Botschaft des Denkmals formuliert ist: „Ihr setztet das Leben  fürs Vaterland ein  Euch wird das Leben  gewonnen sein“. Nach dem zentral positionierten, von Lorbeer umschlungenen Eisernen Kreuz steht dort weiter: „Im Weltkriege  1914 – 1918  Starben fürs Vaterland“. Im Anschluss folgen die drei Namenstafeln mit den insgesamt 49 verzeichneten Gefallenen. 

Gedenkfeier für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs während der NS-Zeit; Privatbesitz Jürgen Nonnemann

Oberhalb der vierten Tafel befindet sich ein von einem Kranz umschlungenes Großkreuz des Eiserenes Kreuzes. Als höchste aller preußischen Ehrungen für Kriegstaten ist diese besondere Form des Eisernen Kreuzes, das mit einer Reichskrone, einem für Wilhelm II. stehenden W und der Jahreszahl 1914 geschmückt ist, in seiner Geschichte lediglich zwanzig Personen verliehen worden, darunter Gebhard Leberecht von Blücher, Edwin von Manteuffel und Paul von Hindenburg. Möglicherweise sollte der Glanz dieser besonderen Auszeichnung auch den gefallenen einfachen Frontsoldaten zuteilwerden. Die Einbeziehung dieser speziellen Form des Eisernen Kreuzes stellt einen erheblichen Kontrast zu den sonst meist von „Schlichtheit und Würde“ [5] getragenen klassizistischen Denkmalen dar. 

Kennzeichnend für die milieuspezifische Erinnerungskultur [6] der frühen Weimarer Republik sind sowohl die zwei Schwerter, als auch das Eiserne Kreuz. Diese Symbole ergänzen den ohnehin soldatischen Charakter des Ehrenmals um eine weitere Komponente: den Gefallenenkult. Die so deutlich werdende Heroisierung der gefallenen deutschen Soldaten war eines der zentralen Themen des national-konservativen Lagers.[7] Dem nach dieser Lesart heldenhaften Einsatz für ihr Vaterland, den sie mit ihrem Leben bezahlen mussten, sind die Lorbeerblätter gewidmet. In mythisch-germanischer Tradition symbolisieren sie Tapferkeit. Damit korrespondieren sie mit dem Eisernen Kreuz, das seinerseits als Auszeichnung für besonders tapfere Handlungen zu Kriegszeiten verliehen wurde. Die Gruppe von Eichenbäumen zählt ebenso zu den germanisierenden Motiven.[8] Wurden solche Heldenhaine auch oftmals als Grabsteinersatz genutzt, so kann dies für das Alt-Wolfsburger Ehrenmal indes nicht nachgewiesen werden. Vielmehr steht der Hain hier sinnbildlich für das sich aufrichtende, von jeglichem Joch befreite Deutschland, wie es Professor Bröckler noch in seiner Rede einforderte.

Welch verheerende Folgen der Erste Weltkrieg für einen kleinen Ort wie Heßlingen zeichnete, der 1910 exakt 342 Einwohner zählte, geht aus einem Eintrag der örtlichen Schulchronik hervor, die der dortige Lehrer Willy Reinemund am 16. Februar 1926 vornahm: „1922 — 105 Kinder/1923 — 90 Kinder (Geburtenausfall durch den Krieg).“[9] Gleich 20 Männer der Gemeinde hatten im Ersten Weltkrieg ihr Leben gelassen. 

Bilder des Volkstrauertags vom 5 März 1950; Privatbesitz Henning Radtke

Um den insgesamt 56 Gefallenen der Gemeinden Heßlingen, Rothehof und Rothenfelde aus dem Zweiten Weltkrieg eine letzte Ehre zu erweisen, wurden am Sonntag den 16. November 1975, am internationalen Volkstrauertag, vier Tafeln ergänzt,[10] auf denen deren Namen verzeichnet sind.[11] In jenen Tagen war die stadtweit geführte Diskussion um eine Versetzung des Ehrenmals, die Anfang der 1950er Jahre im Zuge der Planungen für eine Umgehungsstraße aufkam, längst schon wieder verstummt.[12] 

Zeichnung der Vorder- und Draufsicht des Kriegerdenkmals in Alt-Wolfsburg, April 1959; StadtA Wob, HA 6278, Bd. 2

Die angedachte Translozierung auf die Piazza d’Italia oder in den Schlosspark wurde im August 1964 auf Anraten des Hochbauamts zu den Akten gelegt. Und dies auch, da „die Bänke vor Ehrenmalen in großen Parkanlagen Vagabunden und Liebespaaren [erfahrungsgemäß] als Refugium [dienen]“,[13] so der Fingerzeig eines Baubeamten, der vor etwaigen als unsittlich empfundenen Handlungen und ungewünschten Besuchern gleichermaßen warnte. 

Stilisierter Vorderansicht des Kriegerdenkmals in Alt-Wolfsburg, 1959; StadtA Wob, HA 6278, Bd. 2

Letztlich verblieb das Ehrenmal nach jahrelanger Debatte an seinem ursprünglichen Ort direkt an der B 188, der doch heute ein ganz anderer ist als zu Zeiten der Denkmalseinweihung.

Quellen:

[1] Benjamin Ziemann, „Die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in den Milieukulturen der Weimarer Republik“, in: Thomas F. Schneider (Hg.), Kriegserlebnis und Legendenbildung. Das Bild des „modernen“ Krieges in Literatur, Theater und Film. Bd. 1. Osnabrück 1999, S. 249–269, hier S. 253.
[2] „Denkmalsweihe“, in: Der Bote vom 18. Mai 1922.
[3] Ebd.
[4] „Denkmalsweihe in Wolfsburg“, in: Aller-Zeitung vom 23. Mai 1922; StadtA Wob, HA 6278, Bd. 2, Vermerk: Betr.: Versetzung des Ehrenmals Alt-Wolfsburg vom 4. August 1964.
[5] Meinhold Lurz, Kriegerdenkmäler in Deutschland. Bd. 4. Weimarer Republik. Heidelberg 1985, S. 136.
[6] Siehe dazu den Text zum Ehrenmal Vorsfelde.
[7] Sabine Behrenbeck, „Zwischen Trauer und Heroisierung. Vom Umgang mit Kriegstod und Niederlage nach 1918“, in: Jörg Duppler/Gerhard P. Groß (Hg.), Kriegsende 1918. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung. München 1999, S. 315–339, hier S. 316.
[8] Hier und im Folgenden Lurz, Kriegerdenkmäler in Deutschland. Bd. 4. Weimarer Republik (wie Anm. 6), S. 197f.
[9] StadtA Wob, HA 3588, Bd. 1, Schulchronik von Heßlingen, Eintrag vom 16. Februar 1926.
[10] Dass dies in der Bundesrepublik gang und gäbe war, zeigt Susanne Brandt, „Denkmalpolitik und Grabmalkunst 1919–1924“, in: Gertrude Cepl-Kaufmann/Gerd Krumeich/Ulla Sommers (Hg.), Krieg und Utopie. Kunst, Literatur und Politik im Rheinland nach dem Ersten Weltkrieg. Essen 2006, S. 389–393, hier S. 389.
[11] „Feierstunden zum Volkstrauertag: Bürger sollten nicht abseits stehen“, in: Wolfsburger Nachrichten vom 14. November 1975.
[12] „Bauamt erhielt keinen Vorschlag“, in: Wolfsburger Allgemeine Zeitung vom 31. Juli 1959; StadtA Wob, HA 8938, An das Dezernat IV im Hause, Betr.: Planung Alt-Wolfsburg vom 10. Juli 1964.
[13] StadtA Wob, HA 6278, Bd. 2, Vermerk: Betr.: Versetzung des Ehrenmals Alt-Wolfsburg vom 4. August 1964.


Veröffentlicht am 7.11.2018

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