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Die Ehrenhalle auf dem Ehmer Kirchhof

Von Maik Ullmann

Wie kein anderes im Raum Wolfsburg soll das Kriegerdenkmal in Ehmen verschiedenen erinnerungskulturellen Aufgaben gerecht werden: Neben einem Toten des Deutsch-Französischen Krieges aus den Jahren 1870/71 und den Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkrieges wird an der Ehrenhalle mittels zweier kubusförmiger Steindenkmale auch an den Verlust der ehemals deutschen Ostgebiete erinnert. Dies war indes nicht von Beginn an so intendiert.

Die Idee zu dem im Süden des Hofes der Ortskirche gelegenen Denkmalbaus forcierte die Gemeinde im Verlauf des Jahres 1921. Bereits im Oktober hatte sich eine feststehende Denkmalskommission bestehend aus dem Gemeindevorsteher Hildebrandt, dem Zimmermeister Steib, dem Oberingenieur Teutschenbein und Hofbesitzer Santelmann gebildet. Diese beabsichtigte einen Gedenkort für die 63 im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten des Orts zu schaffen. Zu dessen Errichtung gestaltete der Ausschuss einen gut dotierten Wettbewerb an der Technischen Hochschule Hannover, sah die Ausschreibung doch für die ersten drei Plätze Preisgelder von 200, 300 und 500 Reichsmark vor. Für diesen Wettbewerb schrieb Teutschenbein im Namen der Kommission Professor Gustav Halmhuber der Fakultät für Bauwesen an und bat diesen, seine Studierenden über den ausgeschriebenen Wettbewerb in Kenntnis zu setzen. Es würde ihn sehr freuen, so Teutschenbein, „wenn sich die akademische Jugend recht zahlreich an diese[m] patriotischen Auftrage beteiligen würde“.[1] Wie aus dem Anlageverzeichnis vom 4. Januar 1922 hervorgeht,[2] traf der Ehmer Oberingenieur mit seinen Worten den nationalistischen Zeitgeist der 1920er Jahre, gingen doch insgesamt 13 Einsendungen ein.[3]

Wenn auch Lothar Köpke, Franz Josef Becker und Harald Hanson mit ihren Entwürfen den Wettbewerb für sich entschieden, so erhielt schlussendlich doch ein nicht preisgekrönter Entwurf des Architekturstudenten Otto Winkelmüller mit der folgenden Begründung den Vorzug: „Der Entwurf ‚Ehrenhof‘ ist aus dem Bestreben geschaffen worden, einen durch Pfeilerstellungen und Bäumen abgeschlossenen weihevollen Raum zu schaffen.“[4] Die Würdigung der Gefallenen komme in dieser Ausführung besonders ansprechend zur Geltung und verleihe zugleich der „heimatlichen Gedankenwelt“ Ausdruck, wie es in einem Erläuterungsbericht der Denkmalskommission heißt. Winkelmüllers „glückliche Hand in der Gesamtdisposition“ habe letztlich den Ausschlag zu seinen Gunsten gegeben.[5] 

Zeichnung aus den Wettbewerbsunterlagen des Architekten Otto Winkelmüller, 1921; StadtA WOB, Ehmen 44

Bereits am Folgetag der Sitzung des Preisgerichts entsandte Oberingenieur Teutschenbein dem Studenten seine Glückwünsche mit der „ergebensten“ Bitte, dessen Entwurf für einen Preis von 100 Reichsmark erwerben zu dürfen.[6] Die Zustimmung erging wenig später, sodass mit Hilfe von Spenden aus der Gemeinde die weitere Planung beginnen konnte [7] und das Projekt mit der Einweihung im Frühjahr 1923 schließlich seinen Abschluss fand.[8]

Bis in die frühen 1950er Jahre sollte das Ehrenmal in seiner einstigen Gestalt erhalten bleiben: zwei aus „Wesersandstein“ gefertigte jeweils 2,40 Meter hohe Säulen zu jeder Seite und nochmals sechs als Rückwand, die zugleich als Halterung der ebenfalls sandsteinernen Schrifttafeln fungieren, auf denen die Namen der Gefallenen des Ersten Weltkriegs aufgeführt sind.[9] Mit ihrer rechteckigen und nach oben hin offenen Form geht die Ehrenhalle in ihrer Grundidee als symbolisches Grabmal dem Historiker Meinhold Lurz zufolge auf das englische stonehenge, dem jungsteinzeitlichen Steinkreis, zurück.[10] Denn während der im Zuge des 19. Jahrhunderts erfolgten Germanisierung unterschiedlicher Grabmaltypen wurde neben dem Findling auch der Dolmen von der deutschen Gedenkkultur usurpiert und für das vermeintliche Heldentum der Gefallenen instrumentalisiert. Dem architektonischen Zeitgeist entsprechend schuf Winkelmüller in Ehmen einen unüberdachten Weiheraum mit Platz für die Trauernden, dessen Fokus klar auf den Namenstafeln liegt. Anfang der 1950er Jahre wurde das Ehrenmal schließlich um eine Tafel ergänzt, die die Namen der Gefallenen des Zweiten Weltkriegs aufführt.[11] Weitere Namen wurden auf einer bereits bestehenden Tafel Namen hinzugefügt. Offenbar wurde nun auch der Name eines Ehmer Soldaten ergänzt, der im Deutsch-Französischen Krieg gefallen ist. Auf wessen Veranlassung und mit welcher Intention die einzelnen Erweiterungen vorgenommen wurden, und ob diese zeitgleich erfolgten, ist in den vorliegenden Quellen nicht überliefert. Gleiches gilt auch für die Kuben, die links und rechts vor den Stufen der Ehrenmals gesetzt wurden und über die die Nennung von beispielsweise „Danzig“ oder „Pommern“ an den Verlust der ehemals deutschen Ostgebiete erinnern.

Der Bau von Ehrenmalen erlebte in der noch jungen Weimarer Republik landesweit Hochkonjunktur. Es war daher nicht unüblich, dass „Steinbildhauereien“ wie etwa Eggert und Wilborn aus Fallersleben Zeitungsanzeigen schalteten, um für die Anfertigung von „Grab- und Kriegerdenkmälern“ zu werben.[12] Letztlich erhielten die Bildhauer aus dem benachbarten Fallersleben den Zuschlag zur baulichen Umsetzung des Ehrenmals:[13] „Unsern Gefallenen Söhnen Zum Gedächtnis“, so die nüchterne Denkmalsinschrift an der Ehmer Ehrenhalle, die noch durch Zeilen aus dem Johannesevangelium ergänzt wurde: „Niemand hat größere  Liebe denn die, daß er  sein Leben lässet für  seine Freunde“ War es zwar Teutschenbeins Intention, ein Ehrenmal zu schaffen, das den besonders in ländlichen Regionen enorm verbreiteten Nationalismus transportiert, so war das Ergebnis doch ein anderes: Auf einem kirchlichen Grundstück realisiert, manifestiert sich im Ehmer Kriegerdenkmal wie in der Weimarer Republik vielerorts üblich eine sakralisierte Heldenverehrung der im Krieg Gefallenen.[14] 

Zeichnung der Ehmer Ehrenhalle, 1921; StadtA WOB, Ehmen 44

Einzig die zentrale Darstellung des von Eichenlaub umschlungenen Stahlhelms verweist auf den vermeintlich ehrenvollen Heldentod der Ehmer Soldaten. Dass das Ehrenmal dennoch entsprechend rezipiert wurde, ist beispielsweise über die Aussage des damaligen Ehmer Pastors Friedrich Bernhard Ahlers anlässlich einer Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag am 1. März 1931 bezeugt: „Diese Dankbarkeit muß unsere Herzen beim Gedenken all dieser Tapferen erfüllen, die kampfes- und siegesfreudig hinauszogen, um Heimat und Vaterland zu schützen. Reminiscere!“[15] Damit schrieb der Theologe während seines Feldgottesdienstes die Mär des mythisch verklärten „Augusterlebnisses“ fort, das im Grunde schon seit den 1920er Jahren als ein durch reaktionäre Kreise geschürter Kriegsmythos und Irrglaube enttarnt worden war.

Quellen:

[1] StadtA WOB, B.Ehmen II, Kultur, 1901–1940, Teutschenbein an Professor Halmhuber, Betr. Denkmalserrichtung vom 13. Oktober 1921.
[2] StadtA WOB, B.Ehmen II, Ehrendenkmal/Kriegergräber, 1921–1940, Anlageverzeichnis vom 4. Januar 1922.
[3] StadtA WOB, B.Ehmen II, Kultur, Universitätsinterne Wettbewerbsausschreibung zu einem Kriegerdenkmal. Undatiert.
[4] StadtA WOB, B.Ehmen II, Ehrendenkmal/Kriegergräber, 1921–1940, Erläuterungsbericht der Denkmalskommission. Undatiert.
[5] StadtA WOB, B.Ehmen II, Ehrendenkmal/Kriegergräber, 1921–1940, Protokoll über die Sitzung des Preisgerichts für die Errichtung eines Denkmals für die Gefallenen der Gemeinde Ehmen vom 30. Dezember 1921.
[6] StadtA WOB, B.Ehmen II, Kultur, 1901–1940, Teutschenbein an Winkelmüller vom 31. Dezember 1921.
[7] StadtA WOB, B.Ehmen II, Ehrendenkmal/Kriegergräber, 1921–1940, Sammelliste zur Errichtung eines Ehrenmals für die gefallenen Krieger der Gemeinde Ehmen vom 12. Oktober 1921.
[8] StadtA WOB, B.Ehmen II, Ehrendenkmal/Kriegergräber, 1921–1940, Denkmalausschuss an die Firma Eggert und Wilborn vom 12. Dezember 1922.
[9] StadtA WOB, B.Ehmen, Kriegsgräber, Anschlagwesen u. Reklame 1945 –1959, J. Billen Stein- und Bildhauerei an die Gemeindeverwaltung Ehmen b. Fallersleben vom 24. September 1952.
[10] Hier und im Folgenden Meinold Lurz, Kriegerdenkmäler in Deutschland. Band 4. Weimarer Republik. Heidelberg 1985, S. 199.
[11] StadtA WOB, B.Ehmen, Kriegsgräber, Anschlagwesen u. Reklame 1945–1959, J. Billen Stein- und Bildhauerei an die Gemeindeverwaltung Ehmen b. Fallersleben vom 24. September 1952.
[12] „Anfertigung von Grab- und Kriegerdenkmälern“, in: Aller-Zeitung vom 7. Januar 1923; „Grabdenkmäler in allen Formen u. künstl. Ausführung“, in: Aller-Zeitung vom 7. Januar 1923.
[13] StadtA WOB, B.Ehmen II, Ehrendenkmal/Kriegergräber, 19211940, Der Denkmalausschuss an die Firma Eggert & Wilborn vom 23. Juni 1922.
[14] Hier und im Folgenden Michael Jeismann/Rolf Westheider, „Wofür stirbt der Bürger? Nationaler Totenkult und Staatsbürgertum in Deutschland und Frankreich seit der Französischen Revolution“, in: Reinhart Koselleck/Michael Jeismann (Hg.), Der politische Totenkult. Kriegerdenkmäler in der Moderne. München 1994, S. 23–50, hier S. 28f.
[15] „Volkstrauertag im Kreise Gifhorn“, in: Aller-Zeitung vom 4. März 1931.


Veröffentlicht am 7.11.2018

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