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Kriegerdenkmal Kreuz des Ostens Fallersleben

Von Maik Ullmann

„Wir Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung“ heißt es in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen. Diese wurde am 5. August 1950 von 30 Vertretern der einzelnen Landsmannschaften und Interessensverbände der Heimatvertriebenen unterzeichnet. Sie sollte als Symbol des Friedens dienen und zugleich die Akzeptanz der auf der Potsdamer Konferenz im August 1945 festgelegten Oder-Neiße-Linie zum Ausdruck bringen. Bereits ein Jahr später, am 5. August 1951, beging die Bundesrepublik Deutschland den ersten offiziellen Tag der Heimat. Anlässlich dieses Tages druckte die Wolfsburger Allgemeine Zeitung ein Geleitwort des ersten Vorsitzenden des Zentralverbands der vertriebenen Deutschen (ZvD) des Kreisverbands Gifhorn e.V., Dr. Ohly. Darin heißt es markant: „Dem ‚Tag von Potsdam‘, dem Tag, an dem das größte Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem Willen der Sieger sanktioniert wurde, setzen wir Heimatvertriebenen bewußt den ‚Tag der Heimat‘ entgegen.“[1] Prangert Ohly hier wortgewaltig eine vermeintliche Siegerjustiz an, so formuliert er zum Abschluss seines Schreibens die revisionistische Hoffnung, dass „einst das Morgenrot eines Tages leuchtet, an dem es heißt: Ostland ist wieder unser!“ An jenem Tag der Heimat wurde auf Initiative der ZvD-Ortsgruppe Fallersleben und der Vereinigten Ostdeutschen Landsmannschaften auf dem Schlossplatz Fallerslebens das Ehrenmal „Für die Toten der Ostvertriebenen“ eingeweiht.[2]

Der Feier war eine etwa einjährige Diskussions- und Planungsphase zwischen dem Gemeindekirchenrat, der Stadt Fallersleben und dem Vorstand des lokalen ZvD vorangegangen, an dessen Ende im Juni 1950 folgender Beschluss an den Gemeindekirchenrat in Fallersleben ging: „Der Vorstand der hiesigen Ortsgruppe des Zentralverbands vertriebener Deutscher hat im Einverständnis mit den Mitgliedern des Z.v.D. beschlossen, ein Ehrenmal zu errichten, das am Tage der Heimat im Oktober eingeweiht werden soll. Mit diesem Ehrenmal soll der Toten der Vertriebenen gedacht werden, sowohl der Gefallenen als auch der noch in der alten Heimat bestatteten und der 2 ½ Millionen Deutschen, die, aus der alten Heimat geflohen und vertrieben, nicht hier angekommen und verschollen sind.“[3] Von den etwa 5.000 Einwohnern der Stadt Fallersleben waren im Jahr 1947 etwas mehr als 2.000 Heimatvertriebene.[4] Entsprechend präsent war der Wunsch innerhalb der Gemeinde, einen Gedenkort zu schaffen, der die kollektive Trauer der Vertriebenen auffangen und zudem als Friedhofsersatz dienen sollte. „[I]m Anblick der Kirche“, auf dem zentral gelegenen Schlossplatz, sollte zu diesem Zweck nach den Wünschen des ZvD ein Holzkreuz errichtet werden.[5] 

Das Fallersleber Kreuz des Ostens; Foto: Maik Ullmann

Als Ort des stillen Gedenkens ist die Aufstellung von Vertriebenenmahnmalen in der Nähe von Kirchen oder direkt auf kirchlichem Boden keine Seltenheit.[6] Die Wahl des Orts und der Denkmalsform sind zunächst Ausdruck des Glaubens der Vertriebenen; darüber hinaus manifestiert sich in ihnen die Intention der Verbände, sowohl ein Erinnerungszeichen als auch ein stellvertretendes Grabmal zu errichten. Mit ihm sollte an die ehemals deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie erinnert werden, die man hoffte, eines Tages wieder innerhalb der deutschen Grenzen verorten zu können. Mit ihm wurde ferner der Toten gedacht, deren Gräber nun im Staate Polen lagen, und, wie es oft hieß, angeblich zu „Kartoffeläckern und Bauplätzen“ umgewandelt wurden.[7] Beide Ebenen finden in den Inschriften des Denkmals eine schriftliche Manifestation: So heißt es auf dem Querbalken des Eichenkreuzes in blattgoldener Blockschrift: „Die Vertriebenen Ihren Toten“. Zudem werden auf den vier Seiten des Natursteinblocks mit Ostpreußen, Pommern, Schlesien und Westpreußen vier ehemals deutsche Provinzen aufgezählt.

Wie die Niederschrift der Fallersleber Ratssitzung vom 22. August 1950 zunächst glauben macht,[8] waren sich Bürgermeister Karl Heise, der Bauausschuss sowie die Flüchtlingsvertretung unversehens einig darüber geworden, das 1932 wiedererrichtete „älteste Waterloodenkmal in der Provinz Hannover“[9] zugunsten des „Totenehrenmal[s]“ auf den Kanonenplatz [10] an der Hoffmannstraße zu verlegen.[11] Doch wurden innerhalb des Rats sodann, das geht aus einem Sitzungsprotokoll des Bau-, Finanz- und Verwaltungsausschusses vom 1. September 1950 hervor, Bedenken laut: Nachdem sich Ratsherr Böllhoff für einen Verbleib des Denkmals an seinem Platz ausgesprochen hatte, beschloss Bürgermeister Heise die Entscheidung zunächst auf den 4. September zu verschieben, um den Sitzungsteilnehmern zuvor eine Besichtigung des Schlossparks zu ermöglichen.[12] Jene Besichtigungskommission, bestehend aus einigen Ratsherren und „Flüchtlingsvertretern“, entschied im Anschluss an diesen Termin einstimmig, das Ehrenmal auf dem „Kirchplatz zwischen der Rotbuche und der Platane zu errichten“.[13] Doch auch dieser Beschluss sollte drei Wochen später revidiert werden. Denn die Fallersleber Superintendantur der evangelisch-lutherischen St. Michaelis Kirche äußerte aufgrund „der Bedeutung des Ehrenmals“ [14] Bedenken und versuchte die Aufstellung auf dem Kirchplatz zu verhindern. Welche Bedenken dies im Einzelnen waren, geht aus dem Schreiben nicht hervor. Ob diese Entscheidung auf konfessionelle Beweggründe zurückzuführen ist, da das Kreuz als Form des Vertriebenendenkmals unter katholischen Vertriebenen weite Verbreitung fand, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden.[15]

Der ehemalige Bürgermeister und zu jener Zeit amtierende Stadtdirektor Fallerslebens, Otto Wolgast, war es schließlich, der die Planungsphase mit einem gezielten Vorschlag zu beenden wusste: Um „weiteren zeitraubenden Verhandlungen aus dem Wege zu gehen“, schlug er vor, „das Kreuz auf städt[ischen] Grund u[nd] Boden“ westlich des Waterloodenkmals zu errichten.[16] Nach einer etwa einmonatigen Beratungszeit stimmte der ZvD dem Vorschlag der Verwaltung zu und bat zugleich um eine „unverzügliche Inangriffnahme“ des Bauprojekts.[17] Mit Hilfe eigener vom Verband zur Verfügung gestellter Mittel sowie Spenden der Fallersleber Aktien-Zuckerfabrik [18] und der Stadtverwaltung [19] konnte der Bau des Ehrenmals schließlich nach den Vorgaben des Architekten Alfred Hinderlich von der Braunschweiger Baufirma Zierreis im Sommer 1951 umgesetzt werden.

Doch in unmittelbarer Nähe zu solchen Denkmalen aufgestellt, die deutschen Siegen geweiht sind, bekommt das „Kreuz des Ostens“ eine gewisse Unwucht: Erinnert das Waterloodenkmal an einen historischen, das erwachende deutsche Nationalbewusstsein beflügelnden Sieg, so ist die Germania steinerner Ausdruck der deutschen Einigkeit und Größe nach dem Sieg über Frankreich im Jahr 1871. Das „Kreuz des Ostens“ auf dem Schlossplatz dagegen ruft unleugbar eine deutsche Niederlage ins Bewusstsein; eine Niederlage, derer sich die Bevölkerung zwar bewusst war, deren Folgen sie allerdings zumindest in Teilen nicht zu akzeptieren wusste.

Quellen:

[1] „Kriegsvertriebene gedenken der Heimat“, in: Wolfsburger Allgemeine Zeitung vom 4./5. August 1951. Die Wolfsburger Nachrichten druckten das Geleitwort ohne die revisionistische Passage: „Die Heimat fordert Treue!“ In: Wolfsburger Nachrichten vom 4./5. August 1951.
[2] StadtA WOB, HA 10843, Bd. 1, „Zur Weihe des Ehrenmals“ vom Juli 1951.
[3] StadtA WOB, HA 10843, Bd. 1, Der Zentralverband vertriebener Deutscher an den Gemeindekirchenrat in Fallersleben vom 21. Juni 1950.
[4] Christian Schröder, „‚...auch ganz gut davon gekommen‘ – Vom Kriegsende ins Wirtschaftswunder“, in: Stadt Wolfsburg (Hg.), Hoffmannstadt Fallersleben. Zeitreise durch ein Jahrtausend. Braunschweig 2010, S. 306–325, hier S. 306.
[5] StadtA WOB, HA 10843, Bd. 1, Der Zentralverband vertriebener Deutscher an den Gemeindekirchenrat in Fallersleben vom 21. Juni 1950.
[6] Stephan Scholz, Vertriebenendenkmäler. Topographie einer deutschen Erinnerungslandschaft. Paderborn 2015, S. 63.
[7] StadtA WOB, HA 10843, Bd. 1, Der Zentralverband vertriebener Deutscher an den Gemeindekirchenrat in Fallersleben vom 21. Juni 1950.
[8] StadtA WOB, HA 10843, Bd. 1, Niederschrift, Betr.: Ehrenfriedhof und Ehrendenkmal vom 22. August 1950.
[9] Otto Heinrichs, „Das älteste Waterloodenkmal in der Provinz Hannover“, in: Paul Ahrens (Hg.), Kreiskalender für Gifhorn-Isenhagen. Ein Heimatbuch für das Jahr 1934. Wittingen 1934, S. 69–72, hier S. 69.
[10] Hier wurde bis April 1947 eine sogenannte „Beutekanone“ aus dem Ersten Weltkrieg zur Schau gestellt. Sie gelangte bereits im Jahr 1915 aus dem belgischen Lüttich nach Fallersleben, wurde noch während des Zweiten Weltkrieges restauriert und musste schließlich im März 1947 auf Anweisung Nr. 30 des Alliierten Kontrollrats entfernt werden.
[11] StadtA WOB, HA 10843, Bd. 1, Niederschrift, Betr.: Ehrenfriedhof und Ehrendenkmal vom 22. August 1950.
[12] StadtA WOB, HA 10843, Bd. 1, Gemeinschaftliche Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses und des Bau-Ausschusses vom 1. September 1950.
[13] StadtA WOB, HA 10843, Bd. 1, Vermerk Nr. 73, Gemeinschaftliche Besichtigung des Verwaltungs- und Finanz-Ausschusses und des Bau-Ausschusses betr. Toten-Ehrenmal der Flüchtlinge vom 4. September 1950.
[14] StadtA WOB, HA 10843, Bd. 1, Superintendentur Fallersleben an die Stadtverwaltung Fallersleben vom 25. September 1950.
[15] Dazu Scholz, Vertriebenendenkmäler (wie Anm. 6), S. 77f.
[16] StadtA WOB, HA 10843, Bd. 1, Vorlage zur Sitzung des Verwaltungs- und Finanz-Ausschusses vom 19. September 1950.
[17] StadtA WOB, HA 10843, Bd. 1, Zentralverband der vertriebenen Deutschen, Kreisverband Gifhorn e.V., Ortsgruppe Fallersleben an die Stadtverwaltung Fallersleben vom 26. Oktober 1950.
[18] StadtA WOB, HA 10843, Bd. 1, Aktien-Zuckerfabrik Fallersleben an die Stadtverwaltung Fallersleben vom 18. Juni 1951.
[19] StadtA WOB, HA 10843, Bd. 1, Vorlage zur Sitzung des Verwaltungs- und Finanz-Ausschusses vom 25. Mai 1951.


Veröffentlicht am 7.11.2018

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